Denkste!

Ich so: „Haste ’n Master of Arts, biste ’n Meister der Kunst.“
Du so: „Und kommste vom Wedding, trägste ’n Ehering.“
Ich so:  „Inhalierste Grass, brennt die Kuhweide.“
Du so: „Und haste ’n Apple, musste reinbeißen.“

Ich so: „Biste faul, kommste in‘ Biomüll.“
Du so: „Und die Queen bekämpft Drohnen mit Sex.“
Ich so: „Passierte Tomaten gehörn in Geschichtsbücher.“
Du so: „Und gegen Kater vom Pils hilft Risotto mit Whiskas.“

Kachelofen

Jetzt wieder: Zeit für zwei Decken.
Zeit für einen zweiten Menschen unter den Decken.
Zeit genommen, der Erinnerung der Decken zuzuhören.

Zeit für die Schatten der Zeiger,
der Uhr der Jahreszeiten.
Zeit die Stimmen zu hören, die sagen:
Es ist Zeit für den ersten Tee des Tages.

Hast du den Ofen angefeuert?
Aber wieso? Unsere Liebe ist so kalt, so kalt.
Wir müssen frieren.
Wir müssen hier liegen und erfrieren.
Es ist Zeit.

Die Katze schläft in Ofennähe, sie schnurrt.
Meine Decke ist von Innen heiß
Und außen ganz kalt.

Der Aschestaub deckt mich zu,
bis ich unter ihm verschwinde.
Zeit, die Möbel abzuwischen,
Zeit, neue Kohlen zu bestellen.

Wer hat die Kohlen bestellt?
Schon wieder teurer geworden als letztes Jahr.
Der Kohleschlepper hat raue Wangen
Und eine tiefe Staubstimme.
Du bist nicht da gewesen,
deshalb erzähle ich es dir.
Es ist Zeit.

Heute wieder Kohlen geschleppt.
Und wieder Kohlen geschleppt.
Und wieder Kohlen geschleppt.
Manchmal kommt Karl und hilft
Kohlen schleppen.
Du kommst nicht mehr Kohlen schleppen.
Und das tut mir leid.

Offener Himmel, offenes Meer

Ich war Schwemmholz im Atlantik,
Überreste eines gesunkenen Schiffes
nach einem Sturm auf hoher See.
Meine Einzelteile zerstreuten sich
über den Ozean.

Ich traf auf einen Strand,
Eine Bucht, die das Meer umarmt,
Mit warmem, weichem Sand.

Du nahmst mich auf,
Fügtest mich zusammen,
Bautest eine Hütte aus mir.

Legtest dich hinein,
Richtetest mich ein,
Schriebst Gedichte in mir.

Jetzt, endlich im Trockenen,
Träumst du vom offenen Himmel
und ich träum‘ vom offenen Meer.

Kopfspiel

Hallo Spieler,
Du siehst komisch aus!
Ach, jetzt komm ich drauf!
Du hast die Mütze gar nicht auf!

Ach, da ist noch mehr!
Das irritiert mich jetzt sehr!
Dein Kopf ist weg!
Wo hast du ihn versteckt?

Wo ist dein Kopf geblieben?
Hast du ihn liegen gelassen?
Wer hat ihn dir geklaut?
Gibt es für Köpfe Kassen?

Wird der Dieb dafür bezahlen?
Willst du ihn ewig hassen?
Gibt es Werkstätten,
Die dir ’nen neuen verpassen?

Trainer, du stellst die richtigen Fragen!
Ich habe mit meinem Kopf gespielt
Als ich zum Tor schoss, dachte ich,
Ich hätte gut gezielt

Doch mein Kopf knallte gegen den Pfosten
>Jetzt: Totalschaden wegen Vollpfosten!
Ich habe mein Gesicht verloren
Steh‘ wie ein Depp vor vielen Thoren.

Wo ist mein Kopf geblieben?
Ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben
Nein, nicht einwechseln! Ich bin nicht verrückt!
Mein Kopf ist nur verunglückt!

Wo ist mein Kopf geblieben?
Wahrscheinlich ist er davon gerollt!
Wer weiß, in welchem Graben er liegt
Nicht, dass ihn der Gegner kriegt

Trainer, hast du meinen Kopf gesehn?
Ich bin nur noch von Hals bis Zeh,
So wie ich hier steh
Bin ich kopflos.

Hilf mir, meinen Kopf zu finden!
Beim nächsten Mal werd ich ihn fester binden
Und gewährst du mir ein weiteres Spiel
Trainer, ich versprech’s, dann treff‘ ich das Ziel!

Spieler, du hast den Kopf verloren!
Ich werde dir bei der Suche behilflich sein
Gib‘ gut Acht auf ihn, und trainiere fein
Dann geht er beim nächsten Mal auch rein.

Ich versprech’s dir Trainer,
Das kommt nie wieder vor!
Der nächste Kopfschuss
Geht ins Tor.

Schwärmerei

Gedichte sind Schwärmereien
Wenn man für jemanden schwärmt,
Schreibt man ein Gedicht.

Kurzgeschichten sind Affären
Oft gibt es Täter, Opfer
Oder gar Tote.

Der Roman ist eine Liebe.
Das Debüt ist manchmal schon der Bestseller,
So gewinnbringend,
Dass man lebenslang von ihm zehrt.
Meistens werden Romane mit der Zeit reifer …

Eine Autobiografie ist Selbstbefriedigung auf hohem Niveau.
Jeder darf zuschauen.
Man beginnt mit ihr, heimlich und unbeholfen,
In Form eines Tagesbuches,
Und man endet mit ihr, wissend und selbstgefällig,
Bevor man stirbt.

Die Satire ist das Sahnehäubchen
Und passiert nur recht selten.
Sie ist ein Intermezzo an einem ungewöhnlichen Ort
Mit einem Unbekannten.
So überraschend, dass man dran zweifelt,
Ob sie wirklich geschah.

Aber vorsichtig!
Die Pointe kann in Form von Nachwuchs kommen
Und dessen Aussehen ungewöhnlich sein
Schnell ist man Vormund eines Allienbabys.
Das frisst einem die Gedanken aus dem Kopf.
Schluss mit Gedichten und Romanen.

Bist Du einmal im Satiregeschäft,
Kommst Du nur schwer wieder los.
Dreht Dir jemand ein Alienbaby an?
Dann lauf so schnell du kannst
Oder nimm‘ es
Und mach ’nen bess’ren Menschen draus.

Krautreporter – Party in Berlin

Augstein und Hünniger bei der Krautreporter-Party„Ihr seid die Crowd“ – und ihr seid Kraut von gestern


Die ambitionierten Jungjournalisten des Projekts „Krautreporter“ haben gestern Unterstützer und Freunde zu einer kostenlosen Veranstaltung in Berlin eingeladen. Zwei Tage vor Ende der großen Crowdfunding-Aktion. Ein letzter Versuch, noch einige Leute zum Spenden zu animieren.

Ich bin einer der bisher knapp 9500 (Stand: 11.Juni) potenziellen Mitglieder, die das werbefreie, gut recherchierte Online-Magazin Krautreporter mitfinanzieren wollten. Wie es aussieht, werden die 15.000 Unterstützer bis Freitag nicht mehr zusammen kommen. Aber ehrlich gesagt bin ich spätestens nach der gestrigen Veranstaltung auch gar nicht mehr so traurig darüber.

Von den vielen Berichten über das angeblich so neue Konzept des Online-Magazins Krautreporter fühlte ich mich vor einem Monat sofort angesprochen. Natürlich benötigen wir einen Umschwung im Online-Journalismus.

Viele Artikel (auch bei mir kommt das vor) werden gar nicht erst vergütet. Stattdessen wird entweder fleißig gekürzt oder gar nicht richtig lektoriert. Mich als Leser nerven ständig Werbebanner. Für weniger Werbung und mehr investigativen Journalismus würde ich gern 60 Euro im Jahr bezahlen. Und wenn das alle täten, gäbe es dann auch bald für jeden Online-Autoren Honorare. Natürlich möchte ich das unterstützen!

Auch gefiel mir, dass die Krautreporter fast durchweg junge Schreiber verschiedenster Medien sind. Was mich skeptisch machte, war der Werbefilm. Ist das nicht genau das, was wir nicht mehr wollen? Eine dramatisierende Reportagen-Hintergrund-Musik vor der ein Dutzend gepuderter Gesichter vorgeschriebene Phrasen von sich geben und in jeder Sequenz insinuieren: Wir sind geil, also gib uns dein Geld! Selbst wenn ihr geil seid: Warum benutzt ihr dann all‘ die ungeilen Methoden eurer konservativen Kollegen?

Trotzdem bin ich Mitglied geworden. Wie die meisten war ich einfach neugierig. Auch wenn von dieser Truppe die erhoffte Medien-Revolution nicht ausgeht. Im Moment gibt es noch keine bessere Alternative zu den Krautreportern und schließlich stimmt ja die Richtung. Das Konzept ist einfach nur noch nicht ausgereift. An dieser Stelle verweise ich auf einen offenen Brief von Dr. Ankowitsch an Sebastian Esser, den Gründer der Krautreporter. Als ersten Grund für seinen Wunsch, dass die Krautreporter scheitern, schreibt Ankowitsch: „Ihr wirkt auf mich wie eine Gruppe freier Journalisten, die darauf hoffen, angestellt zu werden – und nicht wie eine Gruppe von Entrepreneuren, die um jeden Preis eine journalistische Vision verwirklichen wollen.“

Dieser Eindruck hat sich für mich auf der gestrigen Veranstaltung in der Platoon Kunsthalle noch einmal bestätigt. Die Leute kamen, um Cocktailglas schwingend neue Kontakte zu knüpfen. Dagegen ist ja erstmal nichts zu sagen, nur fehlte der ganzen Veranstaltung total die Richtung. Die Reporter sprachen nicht von ihren Visionen, überhaupt gab es neben der Ska-Band Rupert’s Kitchen Orchestra und fünf Minuten Andrea Hanna Hünniger und Jakob Augstein kaum Programm. Das fand ich etwas enttäuschend. Die Gäste stürmten wegen der Hitze nach draußen. Augstein nahm den Hinterausgang und verschwand. Das Publikum halbierte sich, wahrscheinlich waren viele nur wegen ihm gekommen.

Ich schlich herum und infiltrierte andere Diskussionen: „Prekariat und Journalismus ist eigentlich ’ne gute Sache“, hörte ich einen sagen. Er referierte auf einen Einwurf von Jakob Augstein. Nachdem Andrea Hanna Hünniger gesagt hatte, das Journalisten sich heute nicht selten mit Hungerlöhnen herumschlagen müssten und deshalb zum Teil des Prekariats würden, wies er darauf hin, dass eine Nähe zum gemeinen Mann ja vielleicht gar nicht so schlecht wäre. So schreibe man wenigstens nicht an der Realität vorbei. Bürgernähe als Voraussetzung für authentischen Journalismus hätte sich schließlich auch die taz auf die Fahne geschrieben. Und Werbung gäbe es dort auch nicht. Überhaupt, sei der Ansatz eines Journalismus, bei dem die Leser die Themen mitbestimmen, gar nicht so innovativ, wie einem das hier verkauft würde. Der Freitag hätte schließlich eine Community. Da könne jeder mitschreiben.

Andrea Hanna Hünniger reagierte unbeholfen. Als sie unsicher darauf hinwies, dass es bei den Krautreportern nur gut recherchierte Reportagen geben wird und keinen Meinungs- und Kolumnenteil, hakte Augstein nach: Keine Meinungen in einem Magazin? Na dann, gute Nacht!

Resigniert an einer Zigarette ziehend inspizierte ich noch einmal den Veranstaltungsflyer: „Ihr seid die Crowd“ steht dort. Wer will denn eigentlich so etwas? Hier gibt es nur Jungjournalisten. Jungjournalisten, die Angst vorm Jobcenter haben, Angst vor der nächsten Steuererklärung – und deshalb fleißig lächeln und netzwerken. Wenn das die Crowd ist, dann leben wir in einer furchtbar monochromen Welt.

(Veröffentlicht am 11.06.14 im Tagesspiegel Online /Ressort Meinung)

Aus dem turbulenten Leben eines Dichters

Du fragst mich, wie es heute mit dem Schreiben lief?
Ach hör auf, ich hat‘ mal wieder so’n richtiges Tief
Ich rührte mit dem Stift im kalten Kaffee
Auf dem weißen Papier wuchs Alpen-Klee,
Doch sobald ich versuchte, die Blumen zu pflücken
Zerfiel die Illusion in tausend Einzelstücke

Du sagst, du weißt genau, wovon ich rede
Das KreaTief stände mir im Wege
Ich müsse einfach mal eine Pause einlegen,
Vielleicht ein Spaziergang im Sommerregen

Durchnässt betrete ich wieder das Zimmer
Das weiße Blatt schaut zynisch, wie immer
Ich komme ins Stottern, sein spöttischer Blick
Bricht meinem Gedanken das zarte Genick

Du sagst, du weißt genau, wovon ich rede
Das KonjunkTief stände mir im Wege
Ich müsste einfach meine Zweifel ablegen
Meist hilft ein Spaziergang im Sommerregen

Wieder durchnässt, doch diesmal läuft’s gut
Endlich fließen die Worte, ich spüre die Glut
Der Stift fängt Feuer, ich bin so genial
Morgen steht mein Buch in jedem Regal

Du sagst, aus mir spräche der Überschwang
Doch wer zu viel aus sich hält, der lebt nicht lang
Vielleicht noch mal ein Spaziergang im Sommerregen
Dann kann das AttrakTief sich legen

Yorkstraße, Berlin: Unterwegs zur Zaubermelodie

Berlin.
Hinter einer Geräuschkulisse.
Ich. Irgendwo davor.

Schuhe. Klack, klack.
Türke zischt ins Telefon,
U-Bahn läuft ein.

Hinter der Geräuschkulisse
Eine Melodie.
Lass mich von ihr ziehen.

Geräuschkulisse zerbröckelt.
Verträumte Melodie
Erfüllt nun ganz den Raum.

Das Klacken meiner Schuhe
Stellt mich unter Tatverdacht.
Friedling mustert Störenfried.

Darf ich Deinen Akkorden folgen?
Mich in Deine Melodie legen?
Nur für einen Moment.

In meiner Hand ein roter Faden,
Krampfhaft umklammert
Und verloren.

Ich sitze in der U-Bahn.
Wieder unterwegs.
Völlig verhangen.

Großstadt-Chronisten // Ein Chaos-Gedicht

Es bohrt sich in meine Hirnwindungen: Das Flugzeug aus Tegel.
Übrig bleiben: Immer länger werdende Kondensstreifen.

Es bohrt sich in meine Hirnwindungen: Ein Flaschenzug.
Übrig bleiben: Aufgeräumtes Chaos und große Leere.

Es bohrt sich in meine Hirnwindungen: Eine aufgeregte Schwalbe.
Übrig bleiben: Drei von sechs Jungen.

Weil nichts bestand hat, weil alles vorbei rauscht,
Weil Alt mit Jung tauscht und Leere sich aufbauscht.
Und ich angle nach einem klaren Gedanken, der für immer bleibt,
der Dir die Augen ausreibt und sich selber schreibt.

Aussichtslos.

Das Rauschen der Straße heftet sich an mein Gedicht
Statt Kerzen gibt es elektrisches Licht
Die Schwalbe fällt vor Schreck aus dem Nest,
Der Käfer hält sich am Kanapee fest.

Der Stillstand rast haltlos ins Leere.
Die Monotonie quietscht ohrenbetäubend.
Aufgeregtes Auf-Der-Stelle-Treten.
Hysterisches  Sich-in-die-Enge-Treiben.

Die Großstadt-Chronisten auf ihren Dynamitkisten
Drehen leise ihre Kreise,
Schreiben Chaostheorien über Berlin
Während die Schwalben Richtung Süden zieh’n.

Die Großstadt-Chronisten sind immer auf der Flucht,
Springen von Insel zu Insel –
Atemstillstand vorprogrammiert;
Bis man sich im Chaos verliert

Bis man sich im Chaos verliert
Bis man sich im Chaos verliert ..

– und wieder auftaucht.

Da japsen sie nach Luft.
Die Lust hat sie wiederbelebt.
Das Chaos aufzudröseln
Das Leben einzudöseln.

Bis man sich im Chaos verliert
Bis man sich im Chaos verliert
Bis man sich im Chaos verliert …

Papas Romanze mit der Zeit

Menschen, die das Ende eines guten Buches hinauszögern,
Jedes Wort inhalieren, sich mit jedem Bild zudecken:
Das sind doch dieselben Menschen, die Probleme haben
Eine Sache abzuschließen,sie zuzudecken
Und etwas Neues zu beginnen.

Und dann diese Menschen, die niemals einen Roman zu Ende lesen:
Das sind doch jene, die irgendwann ganz aufhören,
Ein Buch in die Hand zu nehmen,
Die aufhören,Geschichten zuzulassen

Und niemals mehr beginnen.

Und dann am Ende jene, die über die Seiten rasen,
Jedes Wort abmähen und einscannen:
Sie verpassen die Pointe zwischen den Zeilen.
Sie verstehen nicht, was nicht verstanden werden soll –
aber das ist doch auch wichtig.

Wie liest du?

Ein Roman kann eine Romanze sein.
Wenn er gut ist, möchte man sich hineinwerfen
Und an das Ende nicht denken.
Doch wenn das Ende näher rückt
Wird man jeden Tautropfen,Jeden Rosengeruch,
Jede Melodie, in sich aufnehmen wollen
Bis der Kelch leer ist.

Ende.

Ein gutes Buch stellt man ins Regal
Manchmal holt man es heraus, fährt über seinen Rücken,
Berührt die guten Seiten einer verflossenen Romanze.
Manche Menschen verborgen ihre liebsten Bücher nicht.

Ein Roman ist eben keine Zeitung
Eine Zeitung ist ein Flirt,
Der, wenn er gut war,
Auf einem Stapel anderer Flirts landet
Falls man nochmal reinschauen möchte,
Was man meistens aber nicht tut.
Deshalb schmeißt man ihn dann irgendwann weg
Oder verbrennt ihn.

Manche Menschen schmeißen ihre Zeitungen niemals weg.

Zum Beispiel mein Vater.
Er hortet Die Zeit,
Falls man nochmal reinschauen möchte, sagt er
In Die Zeit

Dabei wird Die Zeit immer gelber,
Was nicht passieren würde,
Wenn Papa sich trennen könnte.
Aber das kann Papa nicht.
Das hat er noch nie gekonnt.